Offener Brief der Initiative „Münchner Kreis“ an Erzbischof Reinhard Kardinal Marx

Dieser Offene Brief wurde bei der Sitzung des Münchner Kreises am 17.2.23 beschlossen. Folgende Münchner Reformgruppen unterstützen den Offenen Brief:
Wir sind Kirche, Gemeindeinitiative, Maria 2.0, Ordensfrauen für Menschenwürde

Offener Brief der Initiative „Münchner Kreis“
an Erzbischof Reinhard Kardinal Marx

Sehr geehrter Herr Erzbischof Reinhard Kardinal Marx,
die Initiative „Münchner Kreis“ hat bei ihrer jüngsten Sitzung am 17.02.23 folgende Wünsche an Sie formuliert, die wir in einem Offenen Brief mitteilen:

1. Damit die Feier der Sakramente ein echtes Beziehungsgeschehen in der Ortspfarrei sein kann, bitten wir Sie, eine umfassende Tauf- und Eheassistenzbefugnis für den Bereich der Erzdiözese München und Freising nach ersten umgehenden Beauftragungen bis spätestens 2030 allen pastoral Mitarbeitenden im Dienstauftrag zu erteilen.

2. Zudem bitten wir Sie, sich dafür einzusetzen, dass das Sakrament der Krankensalbung aus der Verbindung zum Bußsakrament gelöst wird und dann auch von nicht-priesterlichen Seelsorger*innen, die etwa in Krankenhäusern oder Seniorenheimen eingesetzt sind, nach einer entsprechenden Beauftragung gespendet werden kann.

3. Mit der Umsetzung des Pastoralplans 2030 haben immer mehr Gemeinden keinen Ansprechpartner vor Ort. Die Katholiken in den Pfarrgemeinden haben ein Recht auf kompetente Begleitung. Auf der anderen Seite begrüßen wir, dass mit dem Pastoralplan alle Menschen, die im Bereich einer Pfarrei leben, unabhängig von ihrer Konfessions- oder Religionszugehörigkeit in den Blick genommen werden.

4. Zahlreiche Ehrenamtliche übernehmen in den Pfarreien kirchliche Aufgaben wie Erstkommunion- und Firmvorbereitung, Beerdigungen und Besuchsdienste sowie die Leitung von Wort-Gottes-Feiern. Sie sollten mehr noch als bisher nach einer entsprechenden Ausbildung fachlich in die Eigenständigkeit begleitet werden. Dem freiwilligen Dienst sollte nicht mit zu hohen Erwartungen begegnet werden, was den Umfang des Einsatzes angeht.

5. Wir befürchten, dass in zahlreichen Diözesen angesichts des starken Mitgliederschwundes das Konzept einer Volkskirche aufgegeben wird, die offen ist für unterschiedliche Nähe und Distanz zur kirchlichen Praxis und Lehre. Dies darf nicht zugunsten eines Kirchenkonzepts „der kleinen Herde“, einer Kirche als Jünger*innengemeinschaft, einer Kirche der Überzeugten geschehen. Die Kirche muss weiterhin dicht und wertschätzend an dem sein, was das allgemeine Bewusstsein am Ort und in der Gesellschaft ausmacht. Es darf nicht einfachhin als „Zeitgeist“ diffamiert werden, vielmehr muss sich eine Wertschätzung dieser „Zeichen der Zeit“ auch in der pastoralen Planung niederschlagen.

6. Der Synodale Weg ist immer wieder Störfeuern ausgesetzt. Es besteht die Gefahr, dass wichtige Reformanliegen, die beim Synodalen Weg und im Synodalen Prozess formuliert werden, nicht nachhaltig zur Wirkung kommen bzw. vor ihrer Wirkung verpuffen.
Da Sie sich gegenüber der Öffentlichkeit aufgeschlossen für Kirchenreformen zeigen, sollten Sie auch unter Beweis stellen, dass Ihr Engagement beim Synodalen Weg eine bewusste Entscheidung zur Reform darstellt, der erste konkrete Schritte folgen.

7. Solange es kirchenrechtlich keine Teilung der bischöflichen Macht gibt – jeder Diözesanbischof vereint in sich Legislative, Exekutive und Judikative (s. can. 391 §1 CIC) –, bedarf es im Hinblick auf ein weitläufiges Demokratieverständnis einer Selbstbeschränkung der Bischöfe. Der Münchner Kreis fordert deshalb nachdrücklich, auch auf Diözesanebene einen Synodalen Rat einzuführen, der nicht nur Beratungs-, sondern auch Entscheidungskompetenzen hat.


München, den 17. Februar 2023

Gemeindereferentin Ulrike Leininger
Sprecherin der Initiative Münchner Kreis

Diakon i.R. Wolfgang Baldes
Sprecher der Initiative Münchner Kreis



Der 2012 gegründete Münchner Kreis war ursprünglich eine reformorientierte Initiative von Priestern und Diakonen in der Erzdiözese München und Freising, die sich später allen Berufsgruppen im kirchlichen Verkündigungsdienst geöffnet hat. Der Kreis hat derzeit rund 70 Mitglieder und rund 900 einzelne Unterstützer*innen.