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Fülle in der verordneten Leere

Reflexionen über Ostererfahrungen während der Corona-Krise 2020

Der folgende Text stammt von zehn Ordensfrauen der Gruppe „Ordensfrauen für Menschenwürde“, die sich im Herbst 2018 in München gebildet hat.

Er reflektiert, wie die Herausforderungen der Corona-Pandemie von den Ordensfrauen kreativ aufgegriffen und bewältigt wurden. Die Erfahrungen betreffen besonders die Themenkreise Sakramentenverständnis, Eucharistieverständnis und Amtsverständnis, bzw. Priesterbild. Als Ordensfrauen, die in vielfältigen internen wie externen Beziehungen stehen, beleuchten wir unsere Gemeinschaftserfahrungen und reflektieren die Frage nach einer alltagstauglichen Begegnung mit Gott, anstelle einer rein ritualisierten Religionspraxis.

Die darin zum Ausdruck gebrachten Forderungen sind keineswegs neu und werden seit Jahrzehnten von vielen Menschen immer wieder in den theologischen wie den kirchenamtlichen Diskurs eingespeist. Allerdings sind sie nun durch Corona in einer neuen Weise erfahrungsgesättigt. Und wir sind überzeugt, dass viele Christen und Christinnen ähnliche Erfahrungen beisteuern könnten.

“Wir hatten alles geplant. Wir hatten uns um einen Priester bemüht, weil das nach den Regeln der katholischen Kirche so zu sein hat. Doch dann kam ganz überraschend und sehr kurzfristig (…) die Absage und wir standen vor der Situation, nun selbst feiern zu müssen, sollen, dürfen, können…“

So beschreibt eine Ordensfrau die Tage kurz vor Ostern. Viele Gläubige und viele Schwestern-gemeinschaften teilen solche besonderen Kar- und Ostererfahrungen während der Corona-Krise 2020, als alle öffentlichen Gottesdienste abgesagt waren und in vielen Frauengemeinschaften die Feier der Eucharistie mit einem externen Zelebranten kurzfristig untersagt war.

In der Corona-Krise hatten wir keine Wahl und genau das eröffnete echte Alternativen. Mit dem Bruch und Wegfall des Vertrauten – manchmal auch Eingefahrenen – entstand zunächst Leere und dann Raum für einen Diskurs und ein gemeinsames Suchen. Wie kann es gehen? Was ist uns wichtig? Was ist für unseren Glauben und die Feier unseres Glaubens zentral? Und die oft begrenzende Frage: was ist erlaubt?

Als Ordensfrauen können wir unser gesamtes Leben selbst verantworten, organisieren und durchführen – gerade auch in geistlichen Belangen – aber die Eucharistiefeier nicht. Einer Priorin/ Oberin steht die geistliche Leitung einer Gemeinschaft zu – aber nicht der Vorsitz bei der Eucharistiefeier. Welches Gemeindebild, welches Priesterbild und welches Frauenbild stehen dahinter? Hier zeigt sich eine Schieflage der katholischen Kirche und eine extreme Abhängigkeit der (Ordens-)Frauen von einem geweihten Mann.

Vielen von uns war klar: wir setzen uns nicht einfach vor den Fernseher oder einen Live-Stream. So hilfreich und wertvoll das für manche Gläubige, besonders für ältere Menschen, Alleinstehende oder auch Mitschwestern in Quarantäne gewesen sein mag; die medial kon-sumierte Feier kann die reale Feier nicht ersetzen. Es war und blieb für uns ein schmerzhafter Stich ins Herz, dem Zelebranten beim Kommunizieren zuzuschauen, ohne selbst teilhaben zu können. Als ebenso unmöglich haben wir Eucharistiefeiern mit Gemeinde ohne Kommunion-spendung erlebt.

Es stellen sich zentrale Fragen an das Eucharistieverständnis: ist die Eucharistie eine gemeinsame Mahlfeier, oder ein exklusives Geschehen, das dem geweihten Priester vorbehalten ist? Das 2. Vatikanische Konzil formuliert hier sehr eindeutig: es geht darum, dass “alle, [die] durch Glauben und Taufe Kinder Gottes geworden [sind], sich versammeln (…) und das Herrenmahl genießen.” (SC 10) Wir fragen uns: Ist die korrekt gefeierte Form wichtiger als der Inhalt? Wie sehr wird ernsthaft die Communio als zentral für die Eucharistiefeier angesehen?

Weiter: Fassen die Regeln und Vorschriften das Sakramentsverständnis nicht zu eng? Kann nicht „alles zum wirksamen Zeichen der Gegenwart Gottes werden“ (Leonardo Boff), wenn es in mir – oder uns – auf Resonanz trifft?

Warum muss das gültig gefeierte Sakrament immer noch an der kirchengeschichtlich gewachsenen Entscheidung hängen, dass nur ein ehelos lebender Mann zum Priester geweiht werden kann? Warum können nicht endlich, um jeder Gemeinde die sonntägliche Eucharistiefeier mit einer Gemeinschaftserfahrung zu ermöglichen, Personen beiderlei Geschlechts aus der Ge-meinde zu diesem Amt beauftragt werden – natürlich mit entsprechender Ausbildung?

Wir erleben, dass das kirchliche Amtsverständnis sehr stark in der Gefahr ist, ungute Machtverhältnisse zu zementieren – und das auf Kosten des Heilsgeschehens für alle Menschen. Dienen unsere sakramentalen Formen wirklich dem Leben oder hat sich das Leben nicht in-zwischen den Formen unterzuordnen?

Manchmal wurden solche Messen durch den Gedanken vom „stellvertretenden Gottesdienstfeiern“ gerechtfertigt. Wie ist die “stellvertretende” Feier zu verstehen? Es machte sich bei uns Unbehagen breit, wenn Bischöfe/Priester sehr großzügig verkündeten, dass sie stellver-tretend für die abwesende Gemeinde Eucharistie feierten. Ja, auch das kann für manche Gläu-bige ein geistlicher Trost sein. Doch theologisch gehören Stellvertretung und Solidarität eng zusammen. Jesus lebte die Solidarität Gottes mit uns Menschen in der Menschwerdung und seinem Sterben und erst das begründete die Möglichkeit seiner Stellvertretung. Für uns war es an mancher Stelle tröstlicher, wenn auch Bischöfe/ Priester solidarisch mit allen Gläubigen auf die Eucharistiefeier verzichtet haben, denn eine Gemeinde kann ohne Priester keine Eucharistie feiern – umgekehrt gilt das Gleiche!!

Wir haben in unseren Gemeinschaften in den vergangenen Wochen dennoch Mahlfeiern erlebt, die jede Engführung auf die Eucharistiefeier gesprengt haben. Wir haben Brot und Wein geteilt und vielfältige Erfahrungen zeigen, dass darin Jesus Christus als präsent erlebt wurde. Beim Abendmahl gab Jesus seinen Freunden den Auftrag: “Tut dies zu meinem Gedächtnis” (1Kor 11,24-25). Dabei geht es um viel mehr, als um reine Erinnerung. Es geht um Vergegenwärtigung. Für viele von uns ist dieser Gedanke zentral: Christen versammeln sich, von Jesus Christus eingeladen, und dürfen erleben, dass Gott gegenwärtig ist. Seine Gegenwart zeigt sich in der Gemeinschaft, in seinem Wort, in vielen weiteren Ereignissen der Feier und in besonderer Weise in Brot und Wein. Ist nicht dieser Moment der „Wandlung“ einzig an einen tiefen Glauben daran gebunden, dass sich Jesus wahrhaft in Seiner Ganzheit als ein geistiges Geschehen „runter brechen lässt“ in Brot und Wein? Dieses „Mysterium“ kann nicht an einen Mann mit Weihe gebunden sein.

Die lebendigen Agape-Erfahrungen können nicht mit der Konsumierung von konsekrierten Hostien (“aus der Konserve”) verglichen werden. Dieser Gang zum Tabernakel wurde immer wieder als Bruch in der Feier erlebt. Entscheidend ist der unbedingte und unverfügbare Heilswille Gottes für alle Anwesenden. So erfuhren wir uns im gemeinsamen Feiern immer wieder als Eingeladene und Beschenkte – nicht als “Macherinnen”.

So fasste schließlich eine Schwester das gemeinsame Feiern zusammen: “Ich habe noch nie in so viele strahlende Gesichter schauen dürfen, die berührt und erfüllt von diesen Tagen und unserem Feiern waren. Für mich war der Geist des Auferstandenen sehr spürbar unter uns wirksam, der in uns und mit uns etwas Wunderbares wirkte.”

In den Kontext der Überlegungen rund um die Eucharistiefeier gehört auch die Frage nach werktäglichen und sonn-/festtäglicher Feier. In sehr vielen Ordensregeln ist die möglichst tägliche Feier der Hl. Messe festgeschrieben. Wie gehen wir damit um, dass einige von uns in dieser erzwungenen “eucharistiefreien” Zeit die tägliche Feier (die wir teilweise über Jahrzehnte gewohnt waren!) nicht einmal vermisst haben?

Als Gedächtnis von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi hat die Eucharistiefeier ihren Platz am Sonntag, dem “ersten Tag der Woche” – als Quelle und Höhepunkt, nicht als tägliche Verpflichtung. In diesem Punkt besteht ein dringender Handlungsbedarf bei der Verfassung und Genehmigung von Ordensregeln.

Nährend und tragend wurde für viele von uns die Zeit der Kontemplation, der stillen Anbetung, das einfache Dasein in der Gegenwart Gottes, das gemeinsame Schweigen oder das Hören und der Austausch über das Wort Gottes. Als strukturierend für den Tag haben viele von uns das Stundengebet erfahren, das sowieso zu unserem “täglichen Brot” gehört und dem wir besondere Aufmerksamkeit widmeten.

Wir haben erfahren: der “Mangel” führte zu einem echten Gewinn an geistlicher Tiefe und zu einer sehr großen Sensibilität für kostbare Kleinigkeiten: Gesten der zwischenmenschlichen Aufmerksamkeit, die Zeichen der Gegenwart Christi wurden. So haben die Erfahrungen dieser Zeit die Engführung auf die Eucharistiefeier aufgelöst und die organische Verbindung von Li-turgie und Diakonie deutlich gemacht.

In den Kontext zu liturgischen Überlegungen gehören schließlich noch Fragen nach einer Verheutigung der liturgischen Sprache. Schwestern, die mit der Vorbereitung von liturgischen Feiern betraut waren, machten sich an die Umformulierung von Texten, “so dass ich sie selbst ehrlich beten konnte. Bei der Durchführung der Liturgie war für mich sehr eindrücklich, dass ich selbst beten konnte und den Gebeten den Ausdruck verleihen konnte, den ich ihnen beimesse. Ich war auf einmal nicht mehr in der Rolle der Zuhörerin, die sich nur mit standardisierten Antworten einbringen kann. Das fühlte sich für mich sehr gut an und war eine sehr andere Erfahrung.”

 

Daraus ergibt sich die brennende Frage: wie kann eine echte “volle, bewusste und tätige Teilnahme” (SC 14) gefördert werden? Manche Orationen sind so formuliert, dass viele von uns diese Texte kaum ertragen können. Wie mag es da erst Menschen gehen, die nicht wie wir eine jahrelange Einführung in die Liturgie(-geschichte) erhalten haben? So halten wir eine “Übersetzungsarbeit” von liturgischen Texten in die heutige Sprachwirklichkeit für unbedingt notwendig, weil sich der “kraft göttlicher Einsetzung unveränderliche Teil” von Liturgie (SC 21) nicht auf die Formulierung von Gebetstexten beziehen kann.

In diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, wie eine alltagstaugliche Begegnung mit Gott besser ermöglicht werden kann. Die bisherige, oft institutionalisierte Religionspraxis, trennt gewöhnlich das Heilige vom Alltäglichen. Wir verweisen als unverzichtbare Anregung auf die Mystik als Erfahrungsweg (in Anlehnung an Martins Bubers „Ich und Du“) und auf zahlreiche christliche Mystikerinnen und Mystiker, für deren Anregungen suchende Menschen empfänglich sind.

Hier stellt sich die Frage: wo ist in unserem kirchlichen und liturgischen Betrieb Raum für die Stille, für die persönliche, individuelle Gottesbegegnung?

Viele Erfahrungen der vergangenen Monate lassen sich eng mit dem Emmausgeschehen in Verbindung bringen. So unternahmen Schwestern Spaziergänge in der Haltung von Madeleine Delbrel: „Geht hinaus ohne vorgefasste Ideen, ohne die Erwartung von Müdigkeit, ohne Plan von Gott; ohne Bescheidwissen über ihn, ohne Enthusiasmus, ohne Bibliothek – geht so auf die Begegnung mit ihm zu. Brecht auf ohne Landkarte – und wisst, dass Gott unterwegs zu finden ist, und nicht erst am Ziel. Versucht nicht, ihn nach Originalrezepten zu finden, sondern lasst euch von ihm finden in der Armut eines banalen Lebens.“

Unsere Fragen an den „Sinn“ von Corona sind keineswegs geklärt. Natürlich waren wir manch-mal traurig und verunsichert über die Situation. Wir leiden mit allen Menschen, die krank sind und mit allen, die durch die sozialen und finanziellen Folgen der Pandemie schwer getroffen sind. Wir sind besorgt über die furchtbaren Auswirkungen, die die Pandemie in den armen Ländern unserer Erde jetzt schon hat und weiter höchstwahrscheinlich haben wird. Besonders die starke Zunahme von (sexueller) Gewalt an Frauen macht uns Sorgen. Wir versuchten, mit unseren Möglichkeiten, Not zu lindern und ansonsten, wie Madeleine Delbrel es beschreibt, ohne vorgefasste Ideen, ohne Plan von Gott, ohne Bibliothek unterwegs zu sein und die Unsi-cherheit nicht zu verdrängen.

Gemeinsam Auf-dem-Weg-sein, zuhörend, nachfragend, ausdeutend – Christusbegegnung mitten unter uns. Dieser Dienst der Martyria wurde von Frauen selbstverständlich geleistet. Wir wünschen, dass diesem kirchlich-vernachlässigten, aber wichtigen Bereich mehr Aufmerk-samkeit gewidmet wird.

Auch in unseren Gemeinschaften gab es Konflikte; Versöhnung war wichtiger denn je. Wir haben erlebt, dass Fragen nach der Eucharistie Spannungen hervorgerufen haben. Nicht alle denken und empfinden gleich. Wir möchten weiterhin in Respekt mit denen leben, die anders denken und fühlen. Aber wir müssen unsere Fragen stellen und ernsthaft nach lebbaren und überzeugenden Antworten suchen.  Als Ordensfrauen leben wir Communio – Gemeinschaft im Glauben, als Schwestern, die sich nicht selbst gesucht, sondern in der Liebe Gottes gefunden haben. Wir haben die Gemeinschaft – trotz aller Konflikte – in diesen Wochen als zentralen Teil unseres Lebens neu erfah-ren: im aufeinander angewiesen sein, als sicherheitsgebend und tragend, als Raum der gelebten und geschenkten Versöhnung und als Ort einer großen Charismenvielfalt, die sich endlich noch mehr entfalten konnte, weil Begabungen Raum bekamen.

Es gibt für uns kein Zurück mehr, hinter die Erfahrungen dieser Corona-Wochen 2020 – einer unglaublichen Fülle in der verordneten Leere.

Norbert Lohfink schrieb: „Priester(in) sein heißt, Zeuge(in) des Wunders sein“. In diesem Sinn leben wir „Ordensfrauen für Menschenwürde“ eine priesterliche Existenz und bezeugen die Wunder, die Gott getan hat.

Wir hoffen, dass unsere Erfahrungen dazu beitragen, dass neue Wege gesucht und mutig ge-gangen werden.

Ordensfrauen für Menschenwürde:

Sr. Karolina Schweihofer, MC, München, Sprecherin

Sr. Antonia Hippeli, OSB, Tutzing,

Sr. Ulla Mariam Hoffmann OSB, Tutzing

Sr. Mechthild Hommel OSB, Bernried

Sr. Ruth Schönenberger OSB, Tutzing

Sr. Susanne Schneider MC, München,

Sr. Hildegard Schreier MC, Generalleiterin, München

Sr. Veronika Sube OSB, Tutzing

Sr. Sara Thiel, Schwestern vom Göttlichen Erlöser, München

Sr. Hilmtrud Wendorff CJ, Nürnberg

Bild einer Mindmap mit Ostererfahrungen
Mindmap mit Ostererfahrung Liturgie
Fülle in der verordneten Leere

 

Statement: Frauen erheben ihre Stimme am 8.März 20

„Wir träumen einen Traum und wenn auch viele lachen, wir träumen einen Traum von einer bessern Welt“ Dieses Lied von Peter Janssens habe ich oft gerne gesungen.

Geschwisterlichkeit erinnert mich an manchmal nervenzehrenden Geschwisterstreit, Eifersucht, Neid, Konkurrenz um die Liebe der Eltern. Oft haben immer noch die Brüder/Söhne unter den Geschwistern mehr zu sagen und bessere Positionen in der Familie. Wer von uns kennt nicht Fälle, in denen sehr schmerzhafte Spaltungen der Geschwister entstehen durch den erbitterten Streit und Kampf um das Erbe.

Ähnliches erleben wir in Mutter Kirche. Auch da geht’s ums Erbe, – SEIN Erbe. Nehmen wir es ernst? Wie verwalten wir es? Wie gehen wir mit diesem Erbe in unserer Zeit um? Im Römerbrief steht doch schon “Sind wir aber Kinder, so auch Erben, Erben GOTTES und Miterben Christi.” Röm 8,und im Galaterbrief geht`s weiter: „Es gibt nicht mehr … männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ Gal 3,28 Ja, das beschreibt SEIN Erbe und diese Vision von Geschwisterlichkeit ist immerhin 2000 Jahre alt.

Wenn man dagegen von einem Kardinal hört, dass seine schlimmsten Befürchtungen eingetreten sind, weil die Sitzordnung des synodalen Wegs in alphabetischer Reihenfolge eingeteilt wurde, und er von Gleichmacherei spricht, dann widerspricht das eindeutig den Sätzen des Paulus. Bemerkt niemand, wie verletzend das ist? Wir sind gleich in unserer großen Sorge um das Erbe, die Zukunft des Glaubens und der Kirche. Doch das macht es mir schwer, in der Messe am ersten Donnerstag im Monat um Priesterberufe zu beten, wie es auch Papst Franziskus den Bischöfen am Amazonas empfohlen hat.

Wer bin ich denn, dass ich GOTT im Gebet Vorschriften mache, ER möge Menschen als Priester berufen, doch bitte nur Männer, denn die römische Kirche will uns Frauen nicht, – selbst wenn sich junge Frauen, wie die Schweizer Theologin Straub, berufen fühlen. Sie wird dafür im Internet hart angefeindet. Sieht denn keiner, dass es eine Bereicherung wäre? Wenn wir das Evangelium ernst nehmen, müssen alle Dienste und Funktionen in der Kirche auch für Frauen offen stehen! Ich habe eine Vision als Geschwister im Umgang mit dem Erbe Christi und zitiere dazu den Bischof von Mainz, Peter Kohlgraf: „Ein kirchliches Amt in der Nachfolge Jesu ist Beziehungsarbeit, Kommunikation, Hinhören, und zwar in Richtung Gottes und der Menschen.”

Zu der Beziehungsarbeit möchte ich ein recht kleines Erlebnis erzählen, das mich sehr berührt hat. Als ich neu im Münchner Kreis angefangen habe, hat ein Pfarrer seine Mail unterschrieben als „euer Mitbruder..“ Ich hab gespürt, das ist kein frommes Gerede, sondern der meint es wirklich ernst. Ein solches Wort heilt manches, was ich als Frau in der Kirche erlebt habe und noch erlebe. Ja, können wir miteinander Schwestern und Brüder in unserem Ringen um eine lebendige Kirche heute sein? „Wir träumen einen Traum und schenken ihm das Leben“ heißt die letzte Strophe des Liedes. Ich möchte meine Berufung als Diakonin nicht nur alleine und mit dem Segen GOTTES leben, sondern auch mit dem Segen der Kirche und unterstützt durch die Mitbrüder und hoffentlich auch viele Mitschwestern.

Dafür  engagieren sich auch die Reform-gruppen über lange Jahre, wie Wir sind Kirche, Münchner Kreis, Gemeindeinitiative, Maria 2.0. und viele andere auch international u.a. mit dem Slogan: „Ungeduld ist eine Tugend“ Inzwischen habe ich über dem Warten das Alterslimit der Diözese überschritten. Ich will nicht nur reden, sondern es selbst verwirklichen, nicht irgendwann, sondern jetzt. Die Hoffnung brennt in mir und ich wünsche mir, dass das Feuer überspringt und suche Mitschwestern, die den Weg mitgehen wollen. Der Traum soll noch wahr werden für eine jüngere Freundin und in Solidarität von uns mit jüngeren Frauen, hoffentlich bevor sie diese Kirche verlassen. Das könnte ein starkes Hoffnungszeichen sein in einer Gesellschaft, wo jede dritte Frau in Deutschland in ihrem Leben Gewalt durch Männer erfährt. Eine weltweite Institution würde damit aufhören, Frauen kleinzumachen und ihnen gleichberechtigt auf Augenhöhe geschwisterlich begegnen und zusammenarbeiten. Ein Text von Dom Helder Camara sagt: „Wenn einer alleine träumt, bleibt es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, so ist es der Beginn einer neuen Wirklichkeit.“
Ulrike Leininger, Gemeindereferentin, Sprecherin der Initiative Münchner Kreis, in der Zusammenarbeit eng verbunden mit der Gemeindeinitiative und der Kirchenvolksbewegung Wir-sind-Kirche

 

Stellungnahme der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche zur Bewertung und Bedeutung des Synodalen Weges in Deutschland nach dem apostolischen Schreiben Querida Amazonia

  Stellungnahme der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche zur Bewertung und Bedeutung des Synodalen Weges in Deutschland nach dem apostolischen Schreiben Querida Amazonia

Die Zerrissenheit der Bischöfe in der Bewertung des Synodalen Weges.

Die Bischöfe haben in Lingen einstimmig (bei vier Enthaltungen) den Synodalen Weg beschlossen und gehen ihn zusammen mit dem ganzen Volk Gottes. Die Synodalen sind ja nicht Mitglieder von Bischofs Gnaden, sondern eigenständige Vertreter*innen des Kirchenvolkes. Sie stehen durchaus in einer anerkannten theologischen Tradition; denn neben dem „sensus ecclesiae“, dem „Sinn für die Kirche“, steht der „sensus fidei fidelium“, der „Glaubenssinn der Glaubenden“. Diesen Glaubenssinn kann die Kirchenleitung nicht auf Dauer ignorieren. Und doch torpedieren einige Reaktionäre im Gefolge von Kardinal Rainer Maria Woelki jede Bemühung, der Kirche in Deutschland neues Leben zu geben. Allein schon die Tatsache, dass Bischöfe und „Laien“ gemeinsam in den Frankfurter Dom eingezogen sind, „habe zum Ausdruck gebracht …, dass da jeder gleich ist. Und das hat eigentlich nichts mit dem zu tun, was Katholische Kirche ist und meint.“ Diese Einschätzung ist auf das Schärfste zurückzuweisen; denn damit widerspricht Kardinal Woelki dem Neuen Testament. Dort heißt es: Einer ist euer Meister, ihr alle seid Brüder und Schwestern. Es ist nicht die Rede davon: Alle sind gleich, aber einige sind gleicher.

Es wird vor der Gefahr einer Kirchenspaltung gewarnt. So muss gefragt werden: Wer betreibt hier Spaltung?

Es ist selbstverständlich richtig und notwendig, die Lehre der Kirche zu hören – wobei allerdings zu fragen ist, wer mit welcher Legitimation diese Lehre festgelegt hat und inwiefern sie überzeitlich zu gelten habe. Zum einen ist Kirche ja nicht einfach Papst und Bischöfe: alle sind Kirche. Schon Papst Pius XII. sagt: „Die Laien gehören nicht zur Kirche, sie sind Kirche.“ Zum anderen hat sich die Lehre der Kirche schon immer gewandelt, damit Menschen ihren Glauben auch leben können. Vielfach hat sie sich aber zu einem „Fehl‐Boden“ entwickelt, der uns Glaubens‐Sicherheit vorgaukelt. Doch auf Lehr‐Sätzen, die in eine bestimmte Zeit hinein gesprochen worden sind, die aber unterdessen oft zu Leer‐Sätzen geworden sind, die keiner mehr versteht, lässt sich nur ein Für‐wahr‐halte‐Glauben aufbauen. Glaube ist aber das unbedingte Ur‐Vertrauen auf Gott, der auf unserer Seite steht. Nur wenn wir den Fehl‐Boden wegziehen, können wir wieder auf dem Boden des Evangeliums stehen. Doch die Reaktionäre machen sich anheischig, die Lösung aller Probleme vorgeben zu können. Sie beharren auf der engen Auslegung der „hierarchischen Verfasstheit“ der Kirche, obwohl dieses Wort im Neuen Testament nirgends vorkommt; denn dort ist von Dienst die Rede, nicht von Herrschaft. Sie beharren darauf, dass sie „auf den Herrn hören“, wenn sie die Traditionen der Kirche verteidigen, ja sie dem Evangelium überordnen. Das System kann sich aber nicht selbst zum Glaubenssatz erheben! Wer die befreiende Botschaft vom Reich Gottes, die Jesus, der Christus, uns allen bringt, nach Gutdünken auslegt, um die Machtverhältnisse in der Kirche zu zementieren: der ist es, der spaltet! Der Zynismus der Reaktionäre ist unerträglich. Sie verkaufen ihre Reformunfähigkeit als das Festhalten am wahren Glauben.

Wie weiter mit dem Synodalen Weg nach dem apostolischen Schreiben Querida Amazonia?

Die Bremser berufen sich jetzt auf Papst Franziskus in seinem apostolischen Schreiben Querida Amazonia, wenn es um die Bedeutung des Priesters und die Frage nach der Stellung der Frau in der Kirche geht, und wollen diese Themen zu Tabu‐Themen erklären. Zu Unrecht! Es gilt einige Gesichtspunkte zu beachten:

1. Franziskus ist wider Erwarten nicht auf die Frage der viri probati eingegangen, für viele eine bittere Enttäuschung. Doch zu fragen ist: Brauchen wir überhaupt viri probati? Brauchen wir nicht vielmehr personae probatae – Männer und Frauen, die die christlichen Gemeinden leiten – was sie in Amazonien schon seit Jahrzehnten tun, wie Franziskus anerkennt, und dadurch die Kirche am Leben halten? Gemeindeleitung geht der Feier der Eucharistie voran und mündet selbstverständlich in die Feier der Eucharistie; auch das geschieht in Amazonien, wenn die Gemeinden zu sonntäglicher Mahlgemeinschaft zusammenkommen. Aber spricht Franziskus nicht von der „Amtsgewalt“, die den geweihten Priester sprechen lässt: „Das ist meinLeib“ und: „Ich spreche dich los von deinen Sünden“ (QA 88). Franziskus provoziert, d.h. er ruft Reaktionen hervor: Manche sehen sich in ihrem traditionellem Priesterbild bestätigt, müssen sich aber sagen lassen, dass dieser Dienst keine Überordnung gegenüber die anderen bedeutet. Vielmehr müssen wir „Raum lassen für die Vielfalt der Gaben, die der Heilige Geist in uns sät… Dies setzt in der Kirche die Fähigkeit voraus, der Kühnheit des Geistes Raum zu geben sowie vertrauensvoll und konkret die Entwicklung einer eigenen kirchlichen Kultur zu ermöglichen, die von Laien geprägt ist“ (QA 99). Und „Laien“, das sind die Mitglieder des Volkes Gottes.

2. Franziskus geht auch nicht auf die drängende Frauenfrage ein.
Auch hier provoziert er. Er wird dafür gelobt, dass er mit der Ablehnung der Weihe für Frauen die Einheit der Kirche im Blick hat und den Frauen die traditionellen Dienste zuweist. Er gibt gegen die Frauenweihe zu bedenken: „Eine solche Sichtweise wäre in Wirklichkeit eine Begrenzung der Perspektiven: Sie würde uns auf eine Klerikalisierung der Frauen hinlenken und den großen Wert dessen, was sie schon gegeben haben, schmälern als auch auf subtile Weise zu einer Verarmung ihres unverzichtbaren Beitrags führen“ (QA 100). Es stimmt, wir brauchen tatsächlich keine Frauen als „Klerikerinnen“. Müssen wir dann aber nicht mit Fug und Recht fragen: Wenn wir dem Klerikalismus entgegentreten wollen: Gelingt uns das, wenn wir an den Männern als „Kleriker“ festhalten? Bedenken wir: Kleriker*innen sind nach dem NT „von Gott Erwählte“, berufen in „ein heiliges Volk, eine königliche Priesterschaft“. Unsere Taufe ist unsere Priester*innen‐Weihe! Die Berufung zum Dienst des Presbyters ist die Berufung zur Gemeindeleitung, keine persönliche Auszeichnung und spezielle Heiligung. Für die Gemeindeleitung braucht es keine gesonderte Weihe.

3. Warum drückt sich Franziskus so verklausuliert aus?
Er muss es einerseits, um den konservativen, ja reaktionären Mitgliedern des Gottesvolkes entgegenzukommen mit Sichtweisen, die ihm von seiner eigenen Vita, von seinem theologischen Denken her geläufig sind. Aber andererseits geht sein Blick darüber hinaus: „Es ist notwendig, die Neuheit des Geistes mutig anzunehmen, der fähig ist, mit dem unerschöpflichen Schatz Jesu Christi immer etwas Neues zu schaffen, denn »die Inkulturation verpflichtet die Kirche zu einem schwierigen, aber notwendigen Weg«“, sonst enden wir als „»Beobachter einer sterilen Stagnation der Kirche«“, wie er schon in im Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium 2013 geschrieben hat (QA 69). Bedenken wir: In einem kirchlichen Text geht es nicht darum, was auch drinsteht (die Konservativen sollen sich ja darin wiederfinden), sondern darum, was in die Zukunft weist: eine Kirche, die dem Wirken des Geistes in ganz neuer Weise Raum gibt entsprechend der Aufforderung von Paulus: „Löscht den Geist nicht aus!“ Wir müssen beim Synodalen Weg unsere Glaubenswirklichkeit in Deutschland im Blick behalten, uns darüber austauschen und zu einvernehmlichen Beschlüssen kommen. Es geht bei den anstehenden Reformen nicht um irgendwelche pragmatischen Kompromisse oder Zugeständnisse. Es geht vielmehr um biblische Minimalforderungen, deren Vernachlässigung die christliche Identität unserer Kirche schändet. Der Entheimatung müssen wir Einhalt gebieten. Grundsätzlich gilt: Alles, was die Kirche in Deutschland eigenständig im Sinn einer synodalen Kirche machen kann, muss gemacht werden; alles, was nur weltkirchlich geregelt werden kann, muss auf den Weg gebracht werden.

Magnus Lux
für das Wir sind Kirche – Bundesteam
24. Februar 2020