Wahl beim Münchner Kreis

Die neugewählten Sprecher des Münchner Kreises

Von links nach rechts: Willi Kuper, Ulrike Leininger, Wolfgang Baldes
Foto: Stefan Menzel

Die katholische Reform-Initiative „Münchner Kreis“ hat bei ihrem Treffen am 28. Oktober in St. Heinrich am Münchner Westpark gewählt:
Ulrike Leininger, Gemeindereferentin in Eichenau, wurde erneut Sprecherin; Wolfgang Baldes, Diakon im Ruhestand, trat die Nachfolge von Sprecherin Marion Ringler an; Willi Kuper, Diakon in Grünwald und bislang Sprecher, unterstützt Leininger und Baldes als Protokollant.

Erstmals seit über zwei Jahren und nach einigen Online-Konferenzen hatte sich der Münchner Kreis wieder in Präsenz getroffen. Dabei waren sich die Teilnehmenden einig, im Netzwerk der Münchner Reformgruppen wie „Wir sind Kirche“, „Maria 2.0“, „Gemeindeinitiative“, “Ordensfrauen für Menschenwürde” und mit reformorientierten kirchlichen Verbänden, der „Pfarrer-Initiative Deutschland“ und dem „Netzwerk Diakonat der Frau“ weiter aktiv zusammen zu wirken.

Zugleich will der Münchner Kreis kritisch in den Blick nehmen, wie Reformansätze des Synodalen Wegs in der Erzdiözese München und Freising umgesetzt werden. Ebenso ist der Pastoral- und Stellenplan 2030 der Münchner Erzdiözese im Fokus. Zur Kirchenreform und zu Strukturfragen wird es wie bisher Aktionen sowie öffentliche Eingaben und Forderungen an die Diözesanleitung geben.

Der 2012 gegründete Münchner Kreis war ursprünglich eine reformorientierte Initiative von Priestern und Diakonen in der Erzdiözese München und Freising, die sich später allen Berufsgruppen im kirchlichen Dienst geöffnet hat. Der Kreis hat rund 70 Mitglieder und rund 900 einzelne Unterstützer*innen. Er fordert vor allem, allen Geschlechtern den Zugang zu den Diensten und Ämtern in der katholischen Kirche zu ermöglichen und in diese Richtung konkrete erste Schritte zu tun.

 

Abschied von Hans-Jörg Steichele

Foto von Hans-Jörg Steichele

Wir haben uns am 21.2. 2022 im Requiem und der Beerdigung am Nordfriedhof von unserem Gründungsmitglied und “theologischen Kopf” Herrn Pfarrer Dr. Hans-Jörg Steichele verabschiedet. Das Requiem und die anschließende Beerdigung besonders mit den berührenden Worten in der Predigt von Elisabeth Stangassinger war ein würdiger Abschied von ihm. Diese Worte, hier zum Nachlesen, sind eine große Wertschätzung seines Lebens.

 

 

Abschied von Hans-Jörg: Joh 12,24-25 und Gen 32,23-32

Liebe Familie Steichele, liebe Familie Krist, liebe alle Menschen hier, die ihr alle um Hans-Jörg trauert,
es ist ungeheuer schwer, jetzt hier zu stehen und einen Menschen zu beschreiben, der im letzten unbeschreiblich ist. Der keinen Kampf gescheut hat, der aber vor allem die Erde nicht gescheut hat. Der sich hineingegeben hat – so möchte ich es einmal ausdrücken – in die verschiedensten Gemeinschaften von Adam und Hava, in die von der Erde genommenen und mit Leben erfüllten Menschengebilde aller Art. Und so werden auch immer wieder Freunde von ihm zu Wort kommen in dieser Predigt – wobei ich mich jetzt schon dafür entschuldigen möchte, dass so Vieles von dem Berührenden, was Ihr geschrieben habt, einfach hier nicht mehr Platz gefunden hat.
Erde – erdig sein – geerdet sein – das war es, was Hans-Jörg Steichele immer ausgezeichnet hat.
Bei Beerdigungen hat er nie das Schäufelchen genommen, um Erde in das Grab zu werfen, sondern seine Hände … um die Erde zu fühlen.
Und ich kann mich noch erinnern, wie er eines Tages einen riesigen Klumpen Ton mit auf die Alm geschleppt hat, weil schlechtes Wetter angekündigt war. Und dann – mit diesem Kneten, Bearbeiten, Formen … kam ein unglaublicher Austausch zustande … es war ein wunderbarer Nachmittag.
Er hat manches Mal von der Trockenheit gesprochen, die er erlebt hat im Kampf um und mit seiner Doktorarbeit. Fühlte sich wie ein Weizenkorn, dass die Erde erforscht, aber nicht hineindarf. Er war ein brillanter Theologe … hat alle seine Examina – angefangen beim Abitur – mit Auszeichnung bestanden. Das war natürlich zu ahnen bei seinem messerscharfen Verstand, wusste aber niemand … Er hat es nicht erzählt, weil es ihm nie darum ging, nach außen zu glänzen, sehr wohl aber darum, die Dinge ganz zu durchdringen. So war es für ihn unabdingbar, dass er, bevor er die Begleitung von Studierenden übernimmt, eine psychologische Ausbildung bekommt. Die hat er sich erkämpft. So kam er ans CG-Jung-Institut in Zürich. Seine Lehrtherapeutin Ingrid Riedel (viele kennen sie von ihren Büchern her) hat geschrieben: „Er wäre hochbegabt dazu gewesen, als Psychotherapeut einen eigenen Berufsweg einzuschlagen, doch es war gar keine Frage für ihn, dass er als Theologe und Priester weiterhin ganz für den Dienst in der Kirche zur Verfügung stehen wollte …“. Ja, dem Dienst an den Menschen in dieser Kirche wollte er zur Verfügung stehen, obwohl er an ihr oft so unsäglich gelitten hat. Für ihn war es nie eine Frage, dass – zumindest von Gott her – Frauen und Männer gleichermaßen zu allen Diensten in dieser Kirche berufen sind. Und so hat er gekämpft in dieser Kirche, sich eingesetzt für Wandlung und Veränderung und mehr Lebendigkeit. Ein Freund schreibt dazu: „Er war sich nicht zu schade, am Rande der Stadtfronleichnamsprozession mit einem Plakat zu demonstrieren (zusammen mit anderen). Er schrieb Positionspapiere, Petitionen und Thesen für den Münchner Kreis … – wie immer biblisch und theologisch bestens begründet. Ja, Hans-Jörg hatte die Hand am Puls der Zeit und der Kirche“. Soweit dieser Freund. Wer sich so aus dem Fenster lehnt, macht natürlich keine Karriere in der Kirche. Ich weiß nicht, ob er daran gelitten hat – ich glaube aber eher nicht.
Hans-Jörg Steichele war nie jemand der gesagt hat: Ach, kein Problem für mich … mach ich! Er war immer ein tastender Mensch, ein verantwortlich handelnder Mensch, voller Achtung gegenüber jedem Lebensweg, wie krumm und schief der auch gelaufen sein mochte. Ich erinnere mich an seine Sprechstunden in St. Ignatius – jeden Freitag von 17.00 bis 19.00 Uhr – da saßen Menschen aller Couleur auf der Wartebank … und natürlich ist es nie bei 19.00 Uhr geblieben – bei Begegnungen gab es für Hans-Jörg Steichele kein Zeitlimit. Das hat natürlich des Öfteren (um nicht zu sagen oft bis fast immer) dazu geführt, dass er kaum einmal pünktlich irgendwo ankam … und die Wege zum nächsten Termin waren deshalb immer von größter Eile gekennzeichnet. Auch da sehe ich ihn direkt vor mir: Offener, wehender Mantel, halboffene Tasche, schiefer Hut … und in Riesenschritten eilend. In der Jugend von St. Ignatius hat ihm das den Namenszusatz „Seine Eiligkeit“ eingebracht.
St. Ignatius. Freunde von ihm haben geschrieben: „Der Kirchenbau (Zeltform) und die Ausgestaltung von St. Ignatius (die Weizenähren, der Weizenkornspruch) waren für ihn Symbol für seine gesamte Theologie und Seelsorge: Die Zeltform als Symbol der Menschen auf der Wanderschaft, des miteinander Unterwegsseins, des Suchens in der Freiheit des Geistes … immer auf Augenhöhe“.
Und dann eben das Weizenkorn, das sich in die Erde gibt. Hans-Jörg Steichele hat dieses Schriftwort nicht nur geliebt sondern gelebt. Hat sich durchdringen und aufweichen lassen von den Menschen um ihn herum. Hat sich ausgesetzt, immer wieder seine Ängste überwunden – und da waren große Ängste – und sich hineingegeben in Beziehungen, in Konflikte, in Diskussionen, in Gruppen aller Art. Er hat unglaublich gerungen, wenn ihm etwas wichtig war … und konnte seinen Standpunkt vertreten, bis hin zur Sturheit (muss man schon auch sagen). Aber wenn etwas ausgefochten war – dann hat er das Ergebnis angenommen, auch dann, wenn es für ihn ein schmerzhafter Ausgang war, weil er sich etwas anderes gewünscht hätte. Wie im Jakobskampf hat er allem irgendwie einen Segen abgerungen … auch dann, wenn er hinkend daraus hervorgegangen ist. Er wusste: Unversehrt bleibt niemand, der sich aufs Leben einlässt. Für mich lag und liegt in dieser Handlungsweise etwas ganz Wichtiges drin, nämlich: Hans-Jörg Steichele hat den Geist Gottes ernst genommen. Er hat nicht nur gesagt: „Ihr habt alle den Heiligen Geist“, sondern er hat es gespürt, ganz innen gewusst, geglaubt und gelebt. Hans-Jörg Steichele hat dem Heiligen Geist, der sich offenbart im Miteinander auf Augenhöhe – zumindest sagt das Paulus mit seinem Gleichnis vom Leib und die vielen Gliedern – Hans-Jörg hat diesem Geist immer mehr getraut, als seiner eigenen Meinung. Er wusste, dass er durch die Priesterweihe nicht per se mehr Heiligen Geist hat als andere. Solche Arroganz war ihm fremd.
„Obwohl er Doktorand und Priesteramtskandidat war, hatte er keine Dünkel und hat sich für uns Mittheolog*innen interessiert und uns geschätzt.“ schreiben Freunde von ihm, die in dem 1976er Kurs waren, zu dem er dazugestoßen ist und die – aus diesem Kurs heraus, aber auch über diesen Kurs hinaus über Jahrzehnte in einer Lebensgruppe mit ihm waren. Alle 14 Tage am Sonntagabend traf sich diese Gruppe, und teilte Glauben und Leben miteinander mit Malen, Bibliodrama, Träume waren wichtig … und vor allem das sich gegenseitig aus dem Leben erzählen. Diese Lebensgruppe war ein Dreh- und Angelpunkt im Leben von Hans-Jörg Steichele. Und darüber hinaus alle, die ihm zu Freunden und Freundinnen geworden waren.
In seiner Zeit in Zürich ist ihm noch etwas zutiefst ans Herz gewachsen, was dort in der Ausbildung eine große Rolle gespielt hat, nämlich Märchen. Das mögen manche belächelt haben. Aber Märchen, die in tausend Variationen die Grundprobleme des Menschseins spiegeln, können für den, der sich auf sie einlässt, ein wahres Tor ins Leben werden. Das hat Hans-Jörg in seiner Züricher Zeit zutiefst begriffen. Rothaarig-grünäugig war dabei eines seiner Lieblingsmärchen. Und diese Farbkombination rot und grün entdeckte er dann überall: In Ikonen-Darstellungen, in denen der Auferstandene Adam und Eva aus dem Totenreich herauszieht, in Darstellungen von Tobias und Sarah aus dem Buch Tobit … und nicht zuletzt im „grünen Christus“ von Marc Chagall im Fraumünster in Zürich, den er gefühlt allen gezeigt hat, die ihn in Zürich besucht haben.
Na ja … und dann gab es da aber auch noch den übergenauen, um nicht zu sagen, pädantischen Hans-Jörg Steichele. Wer je einen von ihm erstellten Ablauf eines größeren Gottesdienstes oder eines Besinnungstages oder dergleichen in der Hand hatte der oder die weiß, wovon ich rede. Es wurde alles aufgenommen, was im Jahr davor ein Problem war. So wurden die Abläufe von Jahr zu Jahr länger. Und ich erinnere mich noch, als in St. Ignatius bei einer Erstkommunion einmal Blattläuse vom Blumenschmuck herumkrabbelten; ab da stand jahrelang für die Mesnerin im Ablauf: „Achtung Läuse!“.
Weil manche von uns gerade lachen: An sein Lachen werden wir uns wohl alle ein Leben lang erinnern … und an sein Nießen.
Wir haben lange überlegt, welches Evangelium wir für heute nehmen – Das Gleichnis vom Schatz im Acker oder eben das Weizenkornwort. Letzteres ist es schließlich geworden. Aber – gerade im Hinblick auf seinen Werdegang hätte es immer auch der Schatz im Acker sein können, weil es von dem Mann, der den Schatz findet, heißt: „Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß und kaufte den Acker.“ – Hans-Jörg setzte alles auf diese eine Karte vom Reich Gottes. Allen Auseinandersetzungen zum Trotz – angefangen bei seinem Vater, der ihn nie als Priester sehen wollte (worunter er sein Leben lang gelitten hat) – bis hin zu allen Auseinandersetzungen mit und in dieser Kirche. Er blieb dem Acker treu und dem Schatz, weil beides zusammengehört.
Es gäbe noch so viel zu erzählen – von seiner großen Liebe zur Musik, wie er aufblühen konnte in Konzerten, beim Musikhören und beim Selber-singen, davon, dass er lange bevor es Modelle von Exerzitien im Alltag gab, mit Leuten aus der Gemeinde Exerzitien entworfen hat, na ja und vielleicht auch davon, dass das Mitfahren in seinem Auto immer eine gewisse Herausforderung war 😊, davon, dass Lyrik, Hilde Domin, Paul Celan, Rose Ausländer für ihn eine Quelle der Inspiration war (mein Gott, wie hatte er sich gefreut, als er das Gedicht von Rainer Maria Rilke entdeckt hat: „Schwer ist zu Gott der Abstieg“!), davon, dass er zwei Jahre lang seine Mutter hingebungsvoll gepflegt hat, davon, dass er ein Genießer von gutem Essen war, davon dass ihn der Sternenhimmel immer fasziniert hat. Und und und …
Mit seiner Krankheit und ganz besonders mit dem unseligen Unfall, kam in das Leben von Hans-Jörg Steichele noch einmal jener „Eine, der mit ihm rang, bis die Morgenröte aufstieg“. – Wie schwer es für ihn, den Mann des Wortes, gewesen sein mag, nicht mehr sprechen zu können, lässt sich wohl kaum ermessen. Aber er blieb Kommunikator. Mit und ohne Hilfsmittel war es möglich, mit ihm zu kommunizieren. Und sein wacher Geist war auch in der Nicht-Sprache spürbar … und seine tiefe Menschlichkeit sowieso. Und so konnte eine Pflegerin im St.-Michael-Pflegeheim am Schluss sagen: „Er hat auch uns gutgetan“.
„Ich werde vor allem Deine liebevolle Art, Deine außergewöhnliche Großzügigkeit, Deinen schalkhaften Humor, Deine Fähigkeit, urteilsfrei zuzuhören, Deine Bereitschaft zu Selbstreflexion und Deine Spiritualität in Erinnerung behalten.“ schreibt Magdalena Meitzner, sein Taufpatenkind.
Ja wir alle werden einen zutiefst lebendigen Menschen in Erinnerung behalten,
ein Weizenkorn, das sich der Erde hingegeben hat.
Schließen möchte ich mit einem Gedicht von Hilde Domin, das Hans-Jörg Steichele sehr geliebt hat und das, wie ich finde, wie eine Art Spiegel für sein Leben ist. Viele hier werden es kennen. Es heißt:

Bitte

Wir werden eingetaucht
und mit dem Wasser der Sintflut gewaschen,
wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.
Der Wunsch nach der Landschaft
diesseits der Tränengrenze
taugt nicht,
der Wunsch, den Blütenfrühling zu halten,
der Wunsch, verschont zu bleiben,
taugt nicht.
Es taugt die Bitte,
dass bei Sonnenaufgang die Taube
den Zweig vom Ölbaum bringe.
Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sei,
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden.
Und dass wir aus der Flut,
dass wir aus der Löwengrube und dem freurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler
stets von neuem
zu uns selbst
entlassen werden.

Lieber Hans-Jörg, heute ist dein Geburtstag – 21.02. – und ja, wir feiern; wir feiern dein Hineingeborenwerden in jene Anderwelt, die uns mit Dir hier schon so oft aufgeblitzt ist. Der Geburtskanal für diese Deine letzte Geburt war für Dich lang und eng. Aber ich bin sicher, dass Dich dort unser Bruder längst umarmt hat, Jesus, der Christus, dem Du immer vertraut hast. Und deshalb:

Auf WIEDERSEHEN, Hans-Jörg Steichele.

 

 

 

 

 

 

 

Offener Brief des NETZWERKS FÜR EINE ZUKUNFTSFÄHIGE KATHOLISCHE KIRCHE

NETZWERK FÜR EINE ZUKUNFTSFÄHIGE KATHOLISCHE KIRCHE
ERZBISTUM MÜNCHEN UND FREISING

O F F E N E R    B R I E F                                                                                         München, 30. Juli 2021

Sehr geehrter Herr Kardinal Marx,

in Ihrem „Wort an die Gläubigen“ sind Sie erneut auf Ihr Rücktrittsgesuch an Papst Franziskus und die Situation der Kirche eingegangen. Das „Netzwerk für eine zukunftsfähige katholische Kirche“ begrüßt Ihre Bereitschaft für ein neues Ja zu Ihrem Auftrag als Bischof des Erzbistums München und Freising sowie Ihr Bekenntnis zu Reform und Erneuerung in und für die Kirche. Wir nehmen Sie beim Wort.

Bei der Übergabe der Petition für die Pastoralberufe am 4. Mai 2021 haben Sie die Vertretungen der in München, aber auch bundesweit tätigen Reformgruppen erneut kennen gelernt. Inzwischen arbeiten diese mit weiteren Organisationen zusammen, die für einen grundsätzlichen Wandel und Paradigmenwechsel in der katholischen Kirche eintreten.

In Ihrem Rücktrittsgesuch an Papst Franziskus schreiben Sie von einem gewissen „toten Punkt“, der aber auch, das ist Ihre österliche Hoffnung, zu einem „Wendepunkt“ werden kann. Diese Hoffnung teilen wir. Verbunden mit der Verantwortung für eine weltweit tief in der Krise steckende katholische Kirche trägt diese Hoffnung alle, die sich als Einzelne, in verschiedensten Bewegungen und Organisationen, in der Pastoral und Wissenschaft z. T. schon seit Jahrzehnten vehement für Reformen einsetzen. Nur so ist vielen Haupt- wie freiwilligen Ehrenamtlichen derzeit überhaupt noch ein Engagement möglich, in dem seit langem beschriebenen „Epochenwandel“ ihre Kompetenzen, ihre Ideen und ihre Konzepte zur Erneuerung der Kirche zu entwickeln und umzusetzen.

Nachdem Sie sich erneut zu Ihrem Auftrag in der Kirchenleitung bekannt haben, möchten wir Sie mit den Worten von Papst Franziskus ermutigen: „Man verlangt von uns eine Reform, die … nicht in Worten besteht, sondern in Verhaltensweisen, die den Mut haben, sich dieser Krise auszusetzen, die Realität anzunehmen, wohin auch immer das führen wird.“

Im Gottesvolk fehlt es nicht an Mut, auch nicht an Visionen, an Spiritualität, an Empathie für den Nächsten, an aufgeklärter Theologie und dem Gewissen verpflichteter Pastoral und Handeln. Jetzt braucht es auch den Mut von Amtsträgern und von allen Beschäftigten in der Kirche, die sich noch viel zu sehr in Abhängigkeiten befinden. Es braucht den Mut der Bischöfe, die nichts zu verlieren haben außer ihrem Amt – das Sie, wie Sie wissen ließen, auch künftig bereit sind, zur Disposition zu stellen. Das ist eine große Freiheit, aus der heraus Sie mit großem Engagement alle Hoffnungen und allen Glauben an eine grundlegende Reform der Kirche wahr machen können.

Noch vor der Sommerpause und in Vorbereitung auf eine „reiche Ernte“ im Herbst (u.a. Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, zweite Vollversammlung des Synodalen Wegs und die seit langem erwartete Veröffentlichung des neuen Missbrauchsgutachtens für die Erzdiözese München und Freising) richten wir diesen Weckruf an Sie: Wann setzen Sie die konkreten Reformen in Kraft, die wir Ihnen in der Petition am 4. Mai 2021 übergeben haben und wie sie zum Teil schon in anderen Bistümern begonnen werden? Sehr gerne unterstützen wir Sie dabei, dass unser Erzbistum in offener Kommunikation mit allen Gremien und Engagierten zum „Reformbistum München-Freising“ wird bei der Entwicklung von zukunftsfähigen Modellen mit Führungsqualität und Selbstverantwortung. Dies haben wir zuletzt in drei  Treffen am 12., 22. und 27. Juli besprochen und geben Ihnen dazu unser Wort.

Stellvertretend für das Netzwerk für eine zukunftsfähige kath. Kirche im Erzbistum München und Freising:

Maria und Rudolph Berg

Dr. Edgar Büttner

Willi Kuper

Ulrike Leininger

Franziska Müller‐Härlin

Katrin Richthofer

Sr. Susanne Schneider MC

Hiltrud Schönheit

Renate Spannig

Christian Taufenbach

Paul‐G. Ulbrich

Christian Weisner

Druckversion des offenen Briefes