Betr.: Verwaltungsgerichte auf ortskirchlicher Ebene
Aktuelles, Allgemein-Eintrag vom 02.11.2015Pfarrer-Initiative Deutschland
Zusammenschluss reformorientierter Priester und Diakone
11. August 2015
Betr.: Verwaltungsgerichte auf ortskirchlicher Ebene
Sehr geehrter Herr Kardinal Marx,
im März dieses Jahres veranstalteten wir in Zusammenarbeit mit der Diözese Würzburg eine
Tagung zum Thema „Rechte in der Kirche – oder hat die Kirche immer recht?“. Deutlich
wurde uns die Bedeutung des kanonischen Rechts für die Regulierung und Begrenzung von
Machtausübung durch Amtsträger in unserer Kirche. Denn wo immer Menschen Macht
ausüben, besteht die Gefahr des Irrtums und des Missbrauchs. Von besonderer Wichtigkeit
sind hierbei unabhängige Gerichte – nicht nur im Staat, sondern auch in unserer Kirche. Was
der Kirche in Ergänzung zu bereits vorhandenen Gerichten fehlt, sind Verwaltungsgerichte
auf ortskirchlicher Ebene. Bislang kann eine Entscheidung eines Ortsordinarius nur durch
einen hierarchischen Rekurs überprüft werden. Doch schon aus Kapazitätsgründen sind die
zuständigen Organe der Kurie in Rom selten in der Lage, zeitnah sachgerechte Urteile zu
fällen. Eine Verwaltungsgerichtsbarkeit auf ortskirchlicher bzw. nationaler Ebene könnte
diese Aufgabe nicht nur schneller, sondern durch die größere Kenntnis der Situation und
Nähe zu den Beteiligten auch besser erfüllen. Dies wäre vermutlich auch im Sinne von Papst
Franziskus, die Ortskirchen zu stärken und die römische Kurie zu verschlanken.
Vor allem aber würde eine Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Rechtssicherheit in den
Bistümern beitragen und die Gefahr von Irrtum und Machtmissbrauch verringern. Auch
wenn die Römisch‐Katholische Kirche kein Staat ist, sollten selbstverständlich auch in ihr
rechtsstaatliche Mindeststandards gelten. Darüber hinaus könnte sie in diesem Bereich
auch Vorbild sein für Staaten, in denen keine unabhängigen Richter die Bürger vor
willkürlichen Entscheidungen durch die Machthaber schützen.
Die Schaffung von Verwaltungsgerichten würde von einem sensiblen Umgang mit Macht in
unserer Kirche zeugen und damit ihre Glaubwürdigkeit und Vertrauen in sie fördern. Denn
unser unverzichtbarer Einsatz für die Würde des Menschen wird umso wirksamer, je mehr
wir in unseren eigenen Reihen (Grund‐)Rechte achten und diese im Konfliktfall vor
unabhängigen Gerichten einklagen können.
Daher bitten wir Sie, sich mit Ihren Möglichkeiten stark zu machen für die Schaffung eines
kirchenrechtlichen Rahmens, innerhalb dessen die nationalen Bischofskonferenzen
Verwaltungsgerichte installieren können. Entsprechende Vorlagen und Entwürfe gab es ja
bereits bei der Zusammenstellung des CIC von 1983. Jetzt, unter dem Pontifikat von
Franziskus und nach dem Öffentlichwerden der zahlreichen Fälle von sexueller Gewalt durch
kirchliche Amtsträger und nach dem Machtmissbrauch durch den früheren Limburger
Bischof, ist unseres Erachtens der Zeitpunkt gekommen, diese bereits vieldiskutierte Idee
wieder aufzugreifen und im Zuge der Kurienreform den rechtlichen Rahmen für
Verwaltungsgerichte zu schaffen.
Für Ihren Einsatz für die Zukunft unserer Kirche wünschen wir Ihnen viel Kraft und Gottes
Segen!
Mit freundlichem Gruß,
Pfr. Max Stetter, im Namen des Sprecherkreises
Oblatterwallstr. 44 c, 86153 Augsburg